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Die Forschung über Autismus begann etwa in den 40er Jahren des 20. Jahrhunderts mit Leo Kanner und Hans Asperger, denen mehr oder weniger unabhängig voneinander etwas aufgefalen war, das heute „Autismusspektrum“ heißt. Oder naja, vielleicht sollte man sagen, „begann etwa in den 20er Jahren“, weil auch die Russin Grunja Sucharewa schon über Autismus geschrieben hatte, sie wurde aber lange nicht so bekannt.
Die darauf aufbauende Autismusforschung hatte nur einen Haken:
Man beobachtete die autistischen Kinder vor allem, statt sich von Autisten selbst sagen zu lassen, wie sie die Welt sehen, und was sie schwierig finden. Das war einerseits kein Wunder, denn Autismus, das betraf nach der damaligen Definition vor allem Kinder, die nicht oder erst spät sprechen lernten. Wie sollte man sie fragen? Das vergab leider aber auch viele Chancen, mehr zu lernen als durch die reine Beobachtung. Und die Autisten erschienen nach dieser Art von Forschung wie Wesen einer fremden Spezies. Und so wundert es auch nicht, dass in der Folge Therapien ersonnen wurden, in denen autistische Kinder eher wie Tiere dressiert statt wie Menschen behandelt zu werden.
Das ändert sich jedoch in den letzten Jahren.
Zwar wird es auch früher schon autistische Autismus-Forscher gegeben haben. Diese aber hatten möglicherweise selbst keine Diagnose, oder wenn doch, dann werde sie sie verschämt verborgen haben – zu groß war das Risiko, dass solche Forscher dann als unfähig angesehen worden wären, menschliche Interaktionen zu verstehen.
Nun aber beginnt sich dies zu ändern. Für eine neue Generation von Forschern wird es selbstverständlich, dass Autisten eine bessere Vorstellung davon haben, was es bedeutet, autistisch zu sein. Dass autistische Forscherinnen und Forscher als Teil eines Forschungsteams die Fragestellungen und die Interpretation der Ergebnisse mitbestimmen, ist unter dem Begriff „partizipative Forschung“ mittlerweile zu einem Qualitätsmerkmal geworden.
Diese autistische Perspektive hilft zu entscheiden, was eine wirkliche Schwierigkeit für Autisten ist, und was nur eine andere Herangehensweise, die genauso legitim ist wie die Herangehensweise, die typisch für Nichtautisten ist. Sie erklärt diese Schwierigkeiten und Differenzen auf eine Art, die Autisten nicht entmenschlicht, und die nicht auf wilde Spekulationen angewiesen ist. Und sie zeigt den Weg hin zu Lösungen. die den Bedürfnissen der Autisten angemessen sind und nicht versuchen, sie zu verbiegen.
Wenn wir in unseren Beratungen und Seminaren über Autismus sprechen, dann beziehen wir uns auf die Ergebnisse dieser neuen Autismusforschung. Und wir folgen ihrem Beispiel, indem wir Probleme, die autistische Kinder betreffen, nicht aus der Außenperspektive der Nichtautisten betrachten, sondern mit einem autistischen Familienberater auf die Perspektive eines Menschen zurückgreifen können, der als Autist ähnliche Probleme aus eigener Erfahrung kennt.